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Geige GilcherAdolf

Museumsschätze (3): "Dann bin ich Euer Verwandter aus Amerika"

Die Geige mit der Nummer fünf in der großen Vitrine im Zentrum des Musikantenland-Museums ist nicht unbedingt ein Objekt, das dem Besucher direkt ins Auge sticht. Im Gegensatz zur größten Tuba der Welt, die als Blickfang des 1982 in der Zehntscheune auf Burg Lichtenberg errichteten Museums gilt, kommt sie eher unscheinbar daher.

Dabei ist mit dem weit gereisten Streichinstrument, das 1873 in der "Ersten Pfälzischen Geigenbau-Anstalt" in Kaiserslautern entstand, eine Anekdote verknüpft. Wer die Geige aus der Pfalz in die USA mitnahm, warum ein Amerikaner durch sie in die Westpfalz gelangte und wie sie schließlich in der Ausstellung landete, das alles weiß der geistige Vater des Museums, Paul Engel, auf kurzweilige Art zu erzählen.

Die Geige gehörte einst dem Wandermusikanten Adolph Gilcher aus Eßweiler, der 1950 in New York starb. Kurz vor seinem Tod vermachte er sie seinem Urenkel William. Da der Urgroßvater jedoch im Alter nur noch Deutsch sprach, wusste "Bill" zuerst nichts mit dem Instrument anzufangen. Als er sich aber Jahre später als Erwachsener näher mit dem Geschenk befasste, fiel ihm ein Etikett auf dem Boden der Geige auf, das den Erbauer des Instruments benannte: "Friedrich Sander, Kaiserslautern, 1873". Animiert durch dieses Indiz, machte sich William auf, seine Verwandten in der Pfalz zu suchen. Im Reisegepäck hatte er auch eine Skizze, die von einer Tante von einem Verwandtenbesuch mitgebracht worden war: Das darauf abgebildete Gebäude stellte das Haus von Ururgroßvater Michel Gilcher dar, das dieser 1858 in Eßweiler gebaut hatte. Von Kaiserslautern aus dauerte es nicht lange, bis William in Eßweiler vor einem Haus stand, das dem auf der vor etlichen Jahren angefertigten Skizze verdächtig glich. Etwaige Zweifel räumte das erste Gespräch zwischen den Hausbewohnern und dem US-Amerikaner, der in nur sechs Wochen Deutsch erlernt hatte, schnell aus dem Weg: "Ich heiße William Gilcher und Sie?" - "Mer häße aa Gilcher." - "Dann bin ich Euer Verwandter aus Amerika!"

Anfang der 1980er Jahre lernte Paul Engel diesen Nachfahren des Wandermusikanten Adolph Gilcher und somit die Geschichte der nunmehr über 100 Jahre alten Geige zufällig bei einer Jubiläumsfeier kennen. Seitdem ist das Symbol für den Brückenschlag über den großen Teich ins einstmals "gelobte Land" Amerika als Dauer-Leihgabe im Musikantenlandmuseum zu sehen.

Logo RheinpfalzOnlineRON - RHEINPFALZ ONLINE, Samstag, 17.August 2002
Von unserer Mitarbeiterin : Yvonne Dick

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